Reform der Bedarfsplanung für Ärzte

Berücksichtigung des tatsächlichen Bedarfs der Bevölkerung bei der Ermittlung der erforderlichen Anzahl von zugelassenen Ärzten

Originaltitel: Antrag der Patientenvertretung zur Verankerung eines Bedarfsindex in der Bedarfsplanungs-Richtlinie

Unterausschuss Bedarfsplanung

Stand des Beratungsverfahrens

20.12.2012: Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie; Ablehnung des Antrags durch den G-BA (Plenum)

31.07.2012: Antrag der Patientenvertretung zur Verankerung eines Bedarfsindex in der Bedarfsplanungs-Richtlinie

Hintergrund

Der G-BA regelt in seiner Bedarfsplanungs-Richtlinie unter anderem, wie viele Einwohner ein ambulant tätiger Vertragsarzt bzw. eine ambulant tätige Vertragsärztin normalerweise versorgen soll. Hierfür legt er bundesweite Verhältniszahlen fest, die nach Arztgruppen differenziert werden. Die Festlegung soll zu einem gleichmäßigen Zugang zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung für alle GKV-Versicherten beitragen, unabhängig von Wohnort, Einkommen oder anderen Gründen.

Vor der Neuregelung aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG, Versorgungsstrukturgesetz) vom 22.12.2011 wurde als Bedarf der Ist-Stand an ärztlicher Versorgung in den 1990er Jahren angesehen und so in der Bedarfsplanungs-Richtlinie verankert. Dieser Ansatz führte dazu, dass den Einwohnern ländlicher Regionen deutlich weniger Ärzte zugestanden wurden als den Einwohnern in Städten und Ballungsgebieten. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG, Versorgungsstrukturgesetz) vom 22.12.2011 die Möglichkeit eröffnet, von dieser Stichtagsregelung (Festlegung in den 1990er Jahren) abzugehen und die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte stärker am tatsächlichen Versorgungsbedarf auszurichten.

Antrag der Patientenvertretung

Mit Ihrem Antrag wollte die Patientenvertretung im Gemeinsamen Bundesausschuss vor allem erreichen, dass die Bedarfsplanung stärker an dem tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung ausgerichtet wird. Die Anzahl der zuzulassenden Ärztinnen und Ärzte eines Fachgebietes, z.B. von Hausärzten, sollte so berechnet werden können, dass grundsätzlich in angemessener Zeit ein Termin zur Verfügung gestellt werden kann und ein entsprechende Arzt dann in angemessener Wegezeit erreichbar ist. Es sollte allerdings auch ein Zuviel an Ärzten vermieden werden.

Die Patientenvertretung hatte daher ein Gutachten in Auftrag gegeben mit dem Ziel, wissenschaftlich erarbeiten zu lassen, wie der Bedarf an vertragsärztlicher Versorgung für die Bevölkerung realitätsnäher bestimmt werden kann. Das IGES-Institut hat im Auftrag der Patientenvertretung einen Bedarfsindex entwickelt, der wichtige Faktoren mit positivem Zusammenhang zum Versorgungsbedarf berücksichtigt. Neben Alter und Geschlecht sollte die Krankheitslast der Bevölkerung sowie die sozioökonomische Struktur (Arbeitslosigkeit und Einkommensarmut) berücksichtigt werden.

Die Verhältniszahlen sollten außerdem für alle Regionen einheitlich festgelegt werden. Die bisherige Unterscheidung nach eher städtischen und eher ländlichen Gebieten sollte nach Auffassung der Patientenvertretung entfallen, damit auch für die Bevölkerung in ländlichen Gebieten eine angemessene Versorgung mit Ärzten zur Verfügung steht.

Entscheidung im Plenum

Das G-BA Plenum hat am 20.12.2012 in öffentlicher Sitzung eine Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie beschlossen und dabei den Antrag der Patientenvertretung überwiegend abgelehnt.

Nach Auffassung der Patientenvertretung wird auch mit der Neufassung der Richtlinie nicht wirklich festgestellt, welcher Bedarf an Vertragsärztinnen und -ärzten tatsächlich besteht. Stattdessen wurde die Gestaltungsmöglichkeit auf die Landesebene verwiesen, wodurch eine bundesweit einheitliche Vorgehensweise aber nicht gewährleistet ist.

Auch die bundeseinheitlichen Verhältniszahlen, die nach Auffassung der Patientenvertretung einen gleichmäßigeren Zugang zur ärztlichen Versorgung in ländlichen und städtischen Regionen ermöglicht hätten, wurde nur für den Bereich der hausärztlichen Versorgung realisiert. Im Bereich der fachärztlichen Versorgung, z.B. mit Orthopäden, Augenärzten und Frauenärzten, aber auch bei Kinderärzten, wird weiter davon ausgegangen, dass in ländlichen Regionen weniger Bedarf an ärztlicher Versorgung bestünde. Dabei wird u.a. argumentiert, dass viele Menschen die Ärztinnen und Ärzte am Arbeitsort aufsuchen würden.

Der Gesetzgeber im Nachgang der Plenumsentscheidung

Mit dem Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungs-gesetz – GKV-VSG) vom 23.07.2015  hat der Gesetzgeber dem G-BA ausdrücklich aufgegeben, bei einer Änderung der Verhältniszahlen zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Versorgung neben der demografischen Entwicklung insbesondere die Sozial- und Morbiditätsstruktur zu berücksichtigen (§ 101 Absatz 2 Nr. 3 SGB V):

"(...) Nunmehr wird dem Gemeinsamen Bundesausschuss aufgegeben, die neue Bedarfsplanung weiterzuentwickeln und anzupassen, um dem tatsächlichen Versorgungsbedarf in der vertragsärztlichen Versorgung noch besser gerecht zu werden und eine flächendeckend bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung mittels kleinräumiger Planung zu fördern. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat insbesondere zu klären, ob für einzelne Arztgruppen eine Anpassung der Verhältniszahlen oder der räumlichen Planung die neue Bedarfsplanung weiter verbessern kann. Bundesweitmaßgebliche Kriterien wie die Sozial- und Morbiditätsstruktur sind nach Absatz 2 Nummer 3 bei der Ermittlung einer bedarfsgerechten Versorgung in die Beratungen einzubeziehen." (AfG, BT-Drs 18/5123, S. 129).

Der G-BA holt unter anderem zu dieser Fragestellung ein wissenschaftlichen Gutachten zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung ein.