Versorgung mit Kontaktlinsen

Anpassung der Hilfsmittel-Richtlinie

Unterausschuss Veranlasste Leistungen

Stand des Beratungsverfahrens

  • 20.07.2017 Beschluss des G-BA über eine Änderung der Hilfsmittel-Richtlinie
  • 11.04.2017 Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG):
    • Anpassung der Anspruchsgrundlage für Sehhilfen in § 33 Absatz 2 SGB V
    • Wiederaufnahme der Beratungen im G-BA
  • 14.05.2013 Antrag der Patientenvertretung zur Überarbeitung der Hilfsmittel-Richtlinie

Hintergrund

Seit dem 1.1.2004 bekommen Versicherte ab dem 18. Lebensjahr Sehhilfen (Brillen, Kontaktlinsen, Lupen, Lupenbrillen) von den Krankenkassen nur dann erstattet, wenn bei Ihnen eine schwere Sehbeeinträchtigung vorliegt oder wenn die Sehhilfe therapeutischen Zwecken dient.

Für Kontaktlinsen zahlt die Krankenkasse unter bestimmten Voraussetzungen einen Zuschuss. Die Höhe des Zuschusses entspricht dem der ansonsten erforderlichen alternativen Versorgung mit einer Brillen.

Dabei gilt: Der oder die Versicherte muss eine schwere Sehbeeinträchtigung haben und die Kontaktlinsenversorgung muss aus medizinischen Gründen zwingend erforderlich sein.

  • Schwere Sehbeeinträchtigung:
    Das Gesetz geht von einer schweren Sehbeeinträchtigung aus, wenn nach der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Klassifikation auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 vorliegt.
  • Aus medizinischen Gründen zwingend erforderlich:
    Wann ein medizinisch zwingender Grund für eine Kontaktlinsenversorgung vorliegt, hat der G-BA in seiner Hilfsmittel-Richtlinie (HilfsM-RL) bestimmt. Dies ist bei folgenden Indikationen der Fall: Myopie ≥ 8,0 dpt; Hyperopie ≥ 8,0 dpt; irregulärer Astigmatismus, wenn damit eine um mindestens 20 Prozentpunkte verbesserte Sehstärke gegenüber Brillengläsern erreicht wird; Astigmatismus rectus und inversus ≥ 3,0 dpt; Astigmatismus obliquus (Achslage 45°+/- 30°, bzw. 135° +/- 30°) ≥ 2 dpt; Keratokonus; Aphakie; Aniseikonie > 7 % (die Aniseikoniemessung ist nach einer allgemein anerkannten reproduzierbaren Bestimmungsmethode durchzuführen und zu dokumentieren); Anisometropie ≥ 2,0 dpt.

Widerspruch in der Kontaktlinsenversorgung bis zum 11.4.2017

Doch auch, wenn Versicherte eine der oben aufgeführten Augenerkrankungen aufweisen, wurde bis zu einer Änderung des Gesetzes durch das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) vom 04.04.2017, welche am 11.4.2017 in Kraft getreten ist, in den meisten Fällen kein Zuschuss durch die Krankenkasse gezahlt.

Grund war ein dynamischer Verweis im Gesetz auf die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Klassifikation von schweren Sehbeeinträchtigungen. Denn in der Klassifikation selbst heißt es: Zur Bestimmung der Sehbeeinträchtigung sollte die Sehschärfe mit gegebenenfalls vorhandener Brille oder Kontaktlinse gemessen werden (vgl. "Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme" (ICD-10), Kapitel VII, Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde, Buchstabe H54.9; www.dimdi.de).

Diese Messmethode hatte der G-BA in die Hilfsmittel-Richtlinie übernommen:  Nur wenn Versicherte bei bester Korrektur der Sehschärfe mit Brillengläsern oder möglichen Kontaktlinsen eine Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen, kann der Augenarzt bzw. die Augenärztin eine Sehhilfe verordnen.

Damit kam es jedoch zu einem Paradoxon für Versicherte mit Kontaktlinsenbedarf:

Das Ausmaß ihrer Sehbeeinträchtigung bestimmte sich danach, wie gut sie mit Kontaktlinsen - nicht mit Brille - sehen können. Da Kontaktlinsen aber gerade die in der Richtlinie des G-BA festgelegten Kontaktlinsen-Indikationen im Vergleich zur Brille sehr gut ausgleichen können, konnte keine schwere Sehbeeinträchtigung im Sinne der WHO-Klassifikation mehr festgestellt werden. Die Versicherten mussten ihre Kontaktlinsen komplett selbst bezahlen oder auf eine Brille ausweichen, welche ihre Sehbeeinträchtigung weniger gut ausgleichen kann.

Der Antrag der Patientenvertretung

Mit ihrem Antrag vom 14.05.2013 verfolgte die Patientenvertretung das Ziel, diesen Zirkelschluss für Versicherte mit Kontaktlinsenbedarf aufzulösen. Sie vertrat die Auffassung, eine solche Einschränkung sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen. Die Hilfsmittel-Richtlinie sollte daher so überarbeitet werden, dass die Bestimmung der Sehschärfe bei Versicherten, bei denen ein zwingender medizinischer Grund für eine Kontaktlinsenversorgung vorliegt, nicht mit bestmöglicher Korrektur, also insbesondere nicht mit Kontaktlinsen erfolgt.

Die stimmberechtigten Träger im G-BA teilten die Auffassung der Patientenvertretung, dass die gesetzliche Regelung zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen könnte. Allerdings vertraten sie auch die Meinung, dass der G-BA aufgrund des gesetzlichen Verweises auf die WHO-Klassifikation keine Anpassung der Hilfsmittel-Richtlinie vornehmen könne. Seither ruhten die Beratungen im G-BA.

Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) vom 04.04.2017

Auch durch das stete Bemühen von Patientenorganisationen hat das Anliegen der Patientenvertretung schließlich durch den Gesetzgeber Unterstützung erfahren. Durch das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) vom 04.04.2017 (BGBl. I S. 778) wurden die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sehhilfen geändert. Dabei ist unter anderem klargestellt worden, dass eine schwere Sehbeeinträchtigung zukünftig immer mit bestmöglicher Brillenkorrektur bestimmt wird, also nicht mit Kontaktlinsen (§ 33 Absatz 2 Nr. 1 SGB V).

Ergänzend zu dieser Klarstellung bezüglich der Messung der Sehbeeinträchtigung hat der Gesetzgeber den generellen Anspruch auf eine Versorgung mit Sehhilfen wieder etwas ausgeweitet (§ 33 Absatz 2 Nr. 2 SGB V).

In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: "[...] Die bisherige Ausnahmeklausel, die ausschließlich auf die Sehbeeinträchtigung mit bestmöglicher Korrektur abstellt, hat den anspruchsberechtigten Personenkreis über das vom Gesetzgeber beabsichtigte Maß hinaus eingeschränkt." (Ausschuss für Gesundheit, BT-Drs. 18/11205, Seite 61). Der Gesetzgeber verweist dabei auch auf Hinweise in einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23.06.2016, Az. B 3 KR 21/15 R.

Beschluss im G-BA

Infolge der Gesetzesänderungen durch das HHVG hat der G-BA die Beratungen zur Änderung der Hilfsmittel-Richtlinie im Februar 2017 wieder aufgenommen. Die Richtlinie wurde mit Beschluss am 20.07.2017 im Sinne der Patientenvertretung geändert. Unter anderem erfolgt die Bestimmung der Sehschärfe jetzt nur noch mit bestmöglicher Brillenkorrektur.
Wortlaut der Richtlinie:
  • "Die Sehschärfenbestimmung hat beidseits mit bester Fernkorrektur mit Brillengläsern zu erfolgen."
  • "Auch bei Kontaktlinsenverordnungen ist die benötigte Fernrefraktion mit Brille maßgeblich."
Der Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Prüfung vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft.