Die Patientenvertretung im G-BA und ihre Rechte

Mitberatung und Antragsrecht

Die Beteiligungsrechte der Patientenvertretung sind durch das Gesetz definiert. Im Mittelpunkt stehen der § 140f SGB V und die Patientenbeteiligungsverordnung.

Die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen haben im G-BA ein Mitberatungs- und ein Antragsrecht (§ 140f Absatz 2 SGB V). Das Mitberatungsrecht wird aktuell von über 250 Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter in ca. 130 Gremien des G-BA wahrgenommen, die von den maßgeblichen Organisationen einvernehmlich benannt werden. Das Antragsrecht liegt ausschließlich bei den maßgeblichen Patientenorganisationen (vgl. auch Bundessozialgericht, Urteil vom 14.05.2014, Az.: B 6 KA 29/13 R).

Anerkennung durch den Gesetzgeber

Seit die Beteiligungsrechte der Patientenvertretung zum ersten Mal durch das GKV-Modernisierungsgesetz zum 01.01.2004 in Gesetz gegossen wurden, hat der Bundestag die Beteiligungsrechte der Patientenorganisationen im G-BA kontinuierlich weiter gestärkt.

So wurde § 140f Absatz 2 SGB V in den letzten Jahren fortgeschrieben, damit die Patientenvertretung mit ihren Anträgen im G-BA noch besser durchdringen kann. Durch die Etablierung einer Stabsstelle Patientenbeteiligung im G-BA (§ 140f Absatz 6 SGB V) werden die Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter seit 2008 bei der Wahrnehmung ihrer Beteiligungsrechte organisatorisch und inhaltlich unterstützt.

Eine stete Anerkennung also durch die Abgeordneten im Bundestag und den Gesetzgeber für die Arbeit der Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter.

Zwischen „Katzentisch“, Impulsgeber und Einflussnahme

Ein Stimmrecht hat die Patientenvertretung jedoch nicht. Welchen Einfluss hat die Patientenvertretung folglich auf die Entscheidungen des G-BA? Auch eine Frage der Perspektive.

Beobachten Besucher der öffentlichen Sitzung des G-BA, wenn Voten oder gut vorbereitete Anträge der Patientenvertretung –häufig einstimmig - abgelehnt werden, hört man schon mal die empörte Aussage, dass die Patientenvertretung beim G-BA am „Katzentisch“ sitze, also ohne jeden Einfluss sei. Doch die meisten Interessengruppen im Gesundheitswesen haben keinen Tisch im G-BA. Aus deren Perspektive ermöglichen die Beteiligungsrechte der maßgeblichen Patientenorganisationen gegebenenfalls erstrebenswerten Einfluss auf die Beratungen.

Die Patientenorganisationen können das Mitberatungs- und Antragsrecht für wichtige Impulse für die Versorgung von Patientinnen und Patienten nutzen. Anträge der maßgeblichen Patientenorganisationen müssen im G-BA inhaltlich beraten und entschieden werden (§ 140f Absatz 2 SGB V).

Inwieweit der Gesetzgeber die Beteiligungsrechte der von den Entscheidungen des G-BA Versicherten, Patienten und Drittbetroffenen auch vor dem Hintergrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 10.11.2015 (Az. 1 BvR 2056/12) weiter ausbauen wird, bleibt abzuwarten.

Wie lässt sich das Antragsrecht für Patientinnen und Patienten nutzen?

Die maßgeblichen Organisationen sind nach § 140f Absatz 2 SGB V berechtigt, zu allen Richtlinien des G-BA Anträge zu stellen. (vgl. auch Rubrik Anträge).

Sie nutzen das Antragsrecht zum Beispiel mit dem Ziel,

  • dass der G-BA neue ärztliche Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden auf ihren Nutzen hin bewertet, damit diese in der Folge von den Krankenkassen erstattet werden und nicht mehr privat bezahlt werden müssen (§§ 135, 137c SGB V);
  • dass der G-BA für therapeutische Eingriffe mit hohen Risiken für Patientinnen und Patienten qualitätssichernde Maßnahmen ergreift, die für Ärzte und Krankenhäuser verbindlich einzuhalten sind (§§ 136ff SGB V);
  • dass der G-BA bei der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln darauf achtet, ob ein neues Arzneimitteln Patientinnen und Patienten wirklich hilft oder ob es möglicherweise neue Risiken mit sich bringt;
  • dass der G-BA bei seinen Entscheidungen auch die Versorgungsbedürfnisse kleinerer Patientengruppen berücksichtigt;
  • dass der G-BA den Leistungskatalog im Bereich Heilmittel, Häusliche Krankenpflege oder Soziotherapie erweitert;
  • dass der G-BA bei der Festlegung der Rahmenbedingungen für die Zulassung von niedergelassenen Kassenärzten die Bedarfe von Patientinnen und Patienten berücksichtigt oder
  • dass der G-BA bei der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung die spezialisierten Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen oder seltenen Erkrankungen verbessert.

Wo sind die Grenzen?

Die Grenzen des Antragsrechts können zum einen an den komplexen Anforderungen liegen, die für einen Nachweis eines medizinischen Vorteils für Patientinnen und Patienten gefordert werden.

So kann zum Beispiel ein Antrag auf Bewertung einer neuen ärztlichen Behandlungsmethode nur dann erfolgreich sein, wenn es ausreichende wissenschaftliche Erkenntnisse dafür gibt, dass eine neue Untersuchungsmethode oder Therapie für Patientinnen und Patienten im Vergleich zu bereits etablierten Therapiealternativen einen Nutzen bringt. Lässt sich ein solcher Vorteil nicht belegen, droht der Ausschluss aus der Versorgung, auch wenn einzelne Patienten möglicherweise gute Erfahrungen gemacht haben.

Auch kann es sein, dass Anträge der Patientenvertretung, die Versorgungsprobleme thematisieren, daran scheitern, dass der G-BA aus rechtlichen Gründen an einer Richtlinien-Regelung gehindert ist.

Doch spielt selbstverständlich auch die ökonomische Interessenlage der stimmberechtigten „Bänke“ eine Rolle. So sind neue teure ärztliche Leistungen nicht nur bei den Krankenkassen unbeliebt. Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen, die die von den Krankenkassen erhaltene Gesamtvergütung zwischen ihren Facharztgruppen verteilen müssen, betrachten teure hochspezialisierte Leistungen oder neue Verordnungsmöglichkeiten möglicherweise kritisch.

Patientenvertretung braucht Enthusiasmus und einen langen Atem.

Ein Teil des G-BA zu sein, dessen Beratungen in den vorbereitenden Gremien der Vertraulichkeit unterliegen (§ 91 Absatz 7 SGB V), bedeutet auch, dass viele Impulse und Anträge der Patientenvertretung nicht oder nur eingeschränkt darstellbar sind. Das erschwert die Darstellung der Arbeit sowohl gegenüber der Öffentlichkeit, aber auch für die Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter innerhalb ihrer eigenen Organisation. Zudem kann sich die Beratung einzelner Anträge über Jahre hinziehen.

Doch so mancher auch gescheiterter Antrag der Patientenvertretung wird von der Rechtsaufsicht, dem Bundesministerium für Gesundheit, oder auch dem Gesetzgeber wieder aufgegriffen und kommt als neuer Regelungsauftrag an den G-BA zurück. So zum Beispiel im Bereich der Methodenbewertung, Bedarfsplanung oder der Qualitätssicherung.

Patientenvertretung braucht mithin einen langen Atem und ein Stück weit auch Enthusiasmus für das Ziel, sich für die Belange von Patientinnen und Patienten einsetzen zu wollen.