Arztplanung im Ruhrgebiet

Sonderregelungen für die Region in Teilen aufgehoben

Originaltitel: Antrag der Patientenvertretung zur Aufhebung des Sonderstatus in der Bedarfsplanung für die Region Ruhrgebiet (Streichung des § 65 Absätze 2 bis 5 Bedarfsplanungs-Richtlinie in der Fassung vom 20.12.2012, zuletzt geändert am 18.12.2014).

Unterausschuss Bedarfsplanung

Stand des Beratungsverfahrens

17.11.2017: Beschlussfassung durch den G-BA zu Änderungen der Regelungen zur Bedarfsplanung im Ruhrgebiet (in Kraft seit 01.01.2018)

15.06.2017: Abnahme des IGES-Endberichts „Gutachten zur Erhebung der Versorgungssituation im Ruhrgebiet“

17.03.2016: Ablehnung des Antrags durch den G-BA (Plenum)

11.03.2016: Antrag der Patientenvertretung auf Aufhebung des Sonderstatus für die Region Ruhrgebiet

Antrag der Patientenvertretung

Mit ihrem Antrag wollte die Patientenvertretung erreichen, dass der G-BA die Sonderbehandlung der Region Ruhrgebiet bei der ärztlichen Bedarfsplanung vollständig beendet. Patientinnen und Patienten sollten im Ruhrgebiet grundsätzlich das gleiche Versorgungsangebot erhalten wie im Rest der Bundesrepublik. Es habe sich bei der Prüfung nicht bestätigt, dass zum Beispiel die Dichte stationärer Einrichtungen im Ruhrgebiet oder das gute Verkehrsnetz ein geringeres Angebot von haus- oder fachärztlicher Versorgung durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte rechtfertigen könnten.

Die Patientenvertretung forderte daher für den hausärztlichen Bereich eine Abschaffung der Sonderregelung mit einem Übergangszeitraum: Eine Angleichung der Verhältniszahlen sollte dabei nach und nach erfolgen, damit neue Zulassungsmöglichkeiten im Ruhrgebiet nicht zu einer „Sogwirkung“ führen und Hausärzte nicht aus den ländlichen Regionen in die Städte abwandern. Die gesonderte Planung für die Region Ruhrgebiet im Bereich der allgemein fachärztlichen und spezialisierten fachärztlichen Versorgung sollte hingegen sofort aufgegeben werden.

17.11.2017 - Ergebnisse der Beschlussfassung des G-BA

Teilerfolg: Neuregelung und Anpassung in der hausärztlichen und spezialisierten fachärztlichen Versorgung sowie psychotherapeutischen Versorgung an bundesweites Niveau

Der G-BA hat mit Beschluss vom 17. November 2017 die seit 1993 bestehenden Sonderregelungen für das Ruhrgebiet in Teilen aufgehoben. Die hausärztliche Versorgung wird nun schrittweise innerhalb von 10 Jahren an die bundesweit geltenden Verhältniszahlen angepasst. Die Patientenvertretung begrüßt diese Entscheidung, denn damit wird eine langjährige Forderung  umgesetzt. Die Beschlussfassung war auf Grundlage eines vom G-BA beauftragten Gutachtens des IGES Instituts erfolgt.

Nach Ablauf einer Übergangsfrist werden nun - jährlich gestaffelt -  circa 40 neue Niederlassungsmöglichkeiten für Hausärzte im Ruhrgebiet geschaffen. Die Anzahl der Hausärzte wird insgesamt auf 600 neue Sitze angehoben werden, bis in 10 Jahren das bundeseinheitliche Planungsniveau erreicht ist.

Auch die psychotherapeutische Versorgungsmöglichkeit wird verbessert. Ab dem 1. Januar 2018 entstehen im Ruhrgebiet etwa 85 weitere Zulassungsmöglichkeiten für Psychotherapeuten.

Vollständig entfallen sind die Sonderregelungen für Facharztgruppen der spezialisierten fachärztlichen Versorgung, wie Fachinternisten, Radiologen und Anästhesisten. Erstmalig werden nun seit Beginn des Jahres 2018 hierfür die Arztzahlen bundesweit einheitlich festgelegt, um eine bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten. Im Ruhrgebiet werden dadurch neue Niederlassungsmöglichkeiten geschaffen.

Allgemein fachärztliche Versorgung im Ruhrgebiet weiterhin nicht ausreichend geregelt

Gleichzeitig wird allerdings den Forderungen, die die Patientenvertretung in ihrem Antrag stellt, nicht vollständig Rechnung getragen. Das Ruhrgebiet wird künftig zwar nicht mehr als Sonderregion bezeichnet, behält aber hinsichtlich der allgemeinen fachärztlichen Versorgung (u. a. Orthopäden, Augenärzte, Frauenärzte, Hautärzte) weiterhin eine Sonderstellung, die die Region schlechter stellt.

In seinem Beschluss ändert der G-BA zwar den Namen der Planungsregion in „polyzentrischer Verflechtungsraum“ und führt damit einen neuen Typus ein. Der G-BA geht dabei aber weiterhin davon aus, dass im Ruhrgebiet weniger Fachärzte benötigt werden. Begründet wird dies durch eine stärkere Vernetzung der Städte innerhalb dieses speziellen Ballungsraums, sodass Patienten aus kleineren Städten und ländlicheren Gebieten durch Ärzte größerer Städte mitversorgt werden können. Obwohl für das Ruhrgebiet dringend erforderlich, wird damit die allgemein spezialfachärztliche Versorgung für das Ruhrgebiet nicht an das bundeseinheitliche Niveau angepasst und die Schlechterstellung der Region nur unter anderem Namen fortgeführt. Die Patientenvertretung kritisiert dies ausdrücklich, denn für Patienten im Ruhrgebiet bedeutet dies, dass weiterhin weniger Fachärzte in der allgemeinen Versorgung zur Verfügung stehen.

15.06.2017 - Das Gutachten des IGES-Institut

Das im Auftrag des G-BA erstellte IGES-Gutachten hatte empfohlen, die Verhältniszahlen in der ärztlichen Versorgung grundsätzlich zu erhöhen, also auch bei der Verhältniszahl der Fachärzte Anpassungen vorzunehmen. Im Gutachten kam das Institut zu dem Ergebnis, dass sich ein „für das gesamte Ruhrgebiet systematisch geringeres Niveau der Arzt- und Psychotherapeutendichte in der haus- und allgemeinen fachärztlichen Versorgung […] nicht ausreichend begründen“ ließe. Damit könne auch der Sonderstatus in der Bedarfsplanung nicht generell fortgeführt werden. (Gutachten IGES Fazit, S.150)

17.03.2016 - Entscheidung im Plenum

Der Antrag zur Aufhebung der Sonderbehandlung des Ruhrgebiets war bereits im März 2016 gestellt worden. Auch schon zuvor, bei Neufassung der Bedarfsplanungsrichtlinie im Jahr 2013 hatte die Patientenvertretung gegen die gesonderten Regelungen und die Schlechterstellung der Region votiert, war aber überstimmt worden. Das G-BA Plenum hat den Antrag der Patientenvertretung am 17.03.2016 in öffentlicher Sitzung abgelehnt. Die Bundesländer, die an dem Beratungsverfahren beteiligt waren, hatten den Antrag der Patientenvertretung unterstützt.

Stattdessen hat sich das Plenum in seiner damaligen Entscheidung darauf verständigt, ein wissenschaftliches Gutachten zur Versorgung in der Sonderregion Ruhrgebiet in Auftrag zu geben. Das Gutachten sollte als Grundlage weiterer Beratungen dienen. Die Patientenvertretung hatte dies mit Verweis auf eine weitere Verzögerung der Entscheidung nicht mitgetragen.

Hintergrund

Der G-BA regelt in seiner Bedarfsplanungs-Richtlinie, wie viele Vertragsärztinnen und Vertragsärzte für die ambulante Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten zugelassen werden können. Hierfür legt er bundesweite Verhältniszahlen fest: Sie bestimmen die Anzahl der Einwohner pro zugelassenem Arzt.

Die Verhältniszahlen werden dabei für bestimmte Planungsbereiche angegeben: je spezialisierter eine Facharztgruppe (z. B. Hausärzte, Augenärzte, Frauenärzte, Orthopäden, Fachinternisten oder Pathologen) desto größer der Planungsbereich. Mit Ausnahme des Ruhrgebiets steht so beispielsweise bundesweit für 1.671 Einwohner eine Hausärztin bzw. ein Hausarzt zur Verfügung. Für den Zugang zu einer Pathologin oder einem Pathologen liegt das Verhältnis mit 109.918 Einwohnern bundesweit deutlich höher.

Mit Einführung der Bedarfsplanung im Jahr 1993 wurde das Ruhrgebiet als Sonderregion geplant. Der G-BA hatte infolge des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011 die Bedarfsplanungs-Richtlinie neu gefasst und zum 01.01.2013 neue und bundesweit einheitliche Verhältniszahlen für jede Arztgruppe festgelegt. Für die Region Ruhrgebiet wurde jedoch auch mit der Neufassung von 2013 – entgegen des Votums der Patientenvertretung - am alten Sonderstatus festgehalten. Konkrete Regelungen dieser Sonderplanung für das Ruhrgebiet wurden in § 65 Absatz 2 bis 5 der bis noch zum 31.12.2017 gültigen Fassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie getroffen. Der Antrag der Patientenvertreter von 2016 sah eine vollständige Streichung dieser Absätze in der Richtlinie vor.

Die Sonderplanung hatte zur Folge, dass für das Ruhrgebiet andere Verhältniszahlen galten. So kamen rechnerisch bundesweit 1.671 Einwohner auf einen Hausarzt, während im Ruhrgebiet ein Hausarzt 2.134 Einwohner versorgen sollte. Auch im fachärztlichen Bereich war das Verhältnis insgesamt schlechter. Begründet wurde die abweichende Quote in der Planung damals mit der hohen Ärzte- und Krankenhausdichte in der Region.

Der G-BA hatte sich bei Beschlussfassung allerdings verpflichtet, innerhalb von 5 Jahren bis zum 31.12.2017 die Versorgungssituation im Ruhrgebiet zu prüfen und dann die Sonderregelungen anzupassen oder außer Kraft zu setzen. Daraufhin folgende fachliche Beratungen mündeten in der Beauftragung des IGES Instituts, ein Gutachten zur Weiterentwicklung dieser Sonderregion zu erstellen.

Der G-BA ist den Empfehlungen des Instituts zur Aufhebung der Sonderplanung im Ruhrgebiet in seiner Beschlussfassung 17.11.2017 in weiten Teilen gefolgt. Die konkreten Regelungen zu den Arztzahlen für diese Region, die in §65 Absatz 2-5 aufgeführt wurden, sind in der seit 01.01.2018 geltenden Bedarfsplanungsrichtlinie komplett entfallen. Stattdessen wurden neue Regelungen geschaffen, die nun den Übergang in der hausärztlichen Versorgung bis zur Anpassung an ein bundeseinheitliches Niveau konkretisieren. Zudem führt der G-BA in seinem Beschluss in der allgemein fachärztlichen Versorgung einen neuen Typus (Typ 6) für das Ruhrgebiet ein. Damit wird das gesamte Gebiet nun nicht mehr als Sonderregion, sondern als „polyzentrischer Verflechtungsraum“ bezeichnet, in welchem kleinere und größere Städte nicht gesondert betrachtet werden. Für die allgemein fachärztliche Versorgung geht der G-BA damit weiterhin von besonderen Mitversorgungseffekten im Ruhrgebiet aus.